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Basiswissen Polizei- und Ordnungsrecht Lektion 6 …

Prof. Dr. J rg Ennuschat Basiswissen polizei - und Ordnungsrecht 29 Basiswissen polizei - und Ordnungsrecht Lektion 6 polizei - und ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit Vorbemerkung: Die Verortung der Verantwortlichkeit im Pr fungs-aufbau ist umstritten. Manche er rtern diese Fragen auf Tatbestandsseite, andere auf Rechtsfolgenseite (unter dem Stichpunkt: St reraus-wahl wird die richtige Person in Anspruch genommen?). A. Verhaltensst rer, 4 PolG NRW, 17 OBG NRW I. Verhalten Aktives Tun oder Unterlassen. Bei Unterlassen muss es eine ffentlich-rechtlich normierte Hand-lungspflicht geben oder eine ffentlich-rechtlich fundierte Garanten-stellung ( aus vorangegangenem gef hrlichen Tun, sog. Ingerenz). Es geht entweder um eigenes Verhalten oder nur in bestimmten F l-len um das Verhalten eines Dritten. Dritte: Kinder, Betreute oder Verrichtungsgehilfen. Verrichtungsgehilfe = Person, die f r den Gesch ftsherrn weisungsgebunden t tig und in einem gewissen Abh ngig-keitsverh ltnis steht.

Prof. Dr. Jörg Ennuschat 29 Basiswissen Polizei- und Ordnungsrecht Basiswissen Polizei- und Ordnungsrecht – Lektion 6 Polizei- und ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit

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1 Prof. Dr. J rg Ennuschat Basiswissen polizei - und Ordnungsrecht 29 Basiswissen polizei - und Ordnungsrecht Lektion 6 polizei - und ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit Vorbemerkung: Die Verortung der Verantwortlichkeit im Pr fungs-aufbau ist umstritten. Manche er rtern diese Fragen auf Tatbestandsseite, andere auf Rechtsfolgenseite (unter dem Stichpunkt: St reraus-wahl wird die richtige Person in Anspruch genommen?). A. Verhaltensst rer, 4 PolG NRW, 17 OBG NRW I. Verhalten Aktives Tun oder Unterlassen. Bei Unterlassen muss es eine ffentlich-rechtlich normierte Hand-lungspflicht geben oder eine ffentlich-rechtlich fundierte Garanten-stellung ( aus vorangegangenem gef hrlichen Tun, sog. Ingerenz). Es geht entweder um eigenes Verhalten oder nur in bestimmten F l-len um das Verhalten eines Dritten. Dritte: Kinder, Betreute oder Verrichtungsgehilfen. Verrichtungsgehilfe = Person, die f r den Gesch ftsherrn weisungsgebunden t tig und in einem gewissen Abh ngig-keitsverh ltnis steht.

2 Die Zurechnung des Verhaltens des Verrichtungsgehilfen ist nur m glich, wenn dieses in Aus- bung und nicht nur bei Gelegenheit der Verrichtung erfolgt. Prof. Dr. J rg Ennuschat Basiswissen polizei - und Ordnungsrecht 30 II. Verursachung Hier gen gt zun chst schlichte Kausalit t ( quivalenz). Ver-schulden ist nicht n tig. Dann w re Verursachung aber unangemessen weit gefasst. Deshalb gibt es Versuche, den Begriff Verursachung einzugrenzen. Die aus dem Zivilrecht bekannte Ad quanztheorie (urs chlich ist, was nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet ist, die Gefahr herbeizu-f hren) hilft nicht: Diese filtert atypische Kausalit tsketten heraus, die aber dennoch polizeiliches Handeln erfordern. 1. Theorie der rechtswidrigen Verursachung (so eine Mindermei-nung) Verhaltensst rer ist, wer die Gefahr rechtswidrig verursacht, also dadurch verursacht, dass er seinen Rechtskreis berschreitet. Diese Theorie st t auf Schwierigkeiten, wenn es keine ausdr ckli-chen Verbote gibt, gegen die das Verhalten verst t, das Verhalten aber dennoch zu einer St rung der ffentlichen Sicherheit oder Ord-nung f hrt ( Hissen der Reichskriegsflagge).

3 Diese Theorie weist aber immerhin auf Folgendes hin: Wenn ein Ver-halten ausdr cklich erlaubt wird, liegt keine Verhaltensst rung vor. : Legalisierungswirkung einer beh rdlichen Genehmi-gung f r bestimmte Emissionen. Wenn dadurch Gefahren entstehen, ist der Genehmigungsinhaber kein Verhaltens- o-der Zustandsst rer. Prof. Dr. J rg Ennuschat Basiswissen polizei - und Ordnungsrecht 31 2. Theorie der unmittelbaren Verursachung (so die ) Verhaltensst rer ist, wer die Gefahrenschwelle unmittelbar ber-schreitet, wer in der Kausalit tskette das entscheidende Glied setzt. Entscheidend ist meistens das letzte Glied, k nnte aber bei wertender Betrachtung auch ein vorheriges Glied sein (siehe auch unten zum Zweckveranlasser). 3. Problem: Zweckveranlasser Klassiker seit Pr . OVGE 85, 270 von 1901: Sarotti-Mohr , Ein-zelh ndler, der in seinem Schaufenster etwas Spannendes bietet, wodurch der Gehweg durch Schaulustige blockiert wird, sodass Pas-santen auf die viel befahrene Stra e ausweichen m ssen.

4 In letzterem liegt eine Gefahr f r die ffentliche Sicherheit aber ist der Einzel-h ndler der St rer? Bejaht vom Pr . OVG unter dem Gesichtspunkt der Zweckveranlassung. Kein Zweckveranlasser soll hingegen ebenfalls ein Klassiker aus der Rechtsprechung des preu ischen Oberverwaltungsgerichts (Pr . OVGE 80, 176) die Musikkapelle sein, die t glich eine Melodie spielt, zu welcher die Zuh rer einen volksverhetzenden Text gr len. Aktuelle Konstellationen: (1) gewaltt tige linke Gegendemonstrati-on bei an sich friedlicher rechter Demonstration (im Lichte von Art. 8 Abs. 1 GG ist hier eine Zweckveranlassung kaum zu begr nden), (2) an sich friedliche Veranstaltung (Musikkonzert, Fu ballspiel) ist An-lass f r Gewalttaten einzelner Besucher, (3) ausufernde Facebook-Party : ist der Initiator des Facebook-Aufrufs Zweckveranlasser, ob-wohl er wom glich gar nicht bei der Party, die zur Randale f hrt etc., dabei ist? (4) Aktueller Fall: Champions-League-Spiel Schalke-Saloniki am Prof.

5 Dr. J rg Ennuschat Basiswissen polizei - und Ordnungsrecht 32 Siehe n her Levin/Schwarz, Zum polizeirechtlichen Umgang mit sog. Facebook-Partys, DVBl. 2012, 10 ff. Im Kern geht es dabei stets um Zurechnungsfragen: Kann die sp tere Gefahr dem vorgelagerten Verhalten zugerechnet werden? ( ) Nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung und nach Theorie der rechtswidrigen Verursachung eigentlich nicht. Der Hintermann ist an sich nur mittelbarer Verursacher. Konse-quenz: allenfalls eine Inanspruchnahme als Nichtst rer. Dennoch wird in diesen Konstellationen von vielen die St rerei-genschaft bejaht. ( ) Manche verlangen (nur) einen engen nat rlichen Wir-kungszusammenhang zwischen dem Verhalten des Zweckveran-lassers und dem Gefahreneintritt, wonach das Verhalten geradezu zwangsl ufig zur Gefahr f hrt (objektive Theorie). In diese Richtung OVG Hamburg, siehe einerseits OVG Hamb., NVwZ 2012, 1975: keine objektive Zu-rechnung der Gewalttaten der Fans der Gastmannschaft zum Verein der Heimmannschaft (als Veranstalter des Fu ballspiels).

6 Siehe andererseits OVG Hamb., NVwZ-RR 2012, 143 (Ls.): Eine rechtsextremistische Band gibt ein entsprechendes Konzert, bei dem viele Zuh rer den Hitler-Gru zeigen, worin eine Straftat und damit eine Gefahr f r die ffentliche Sicherheit zu sehen ist. Zwischen dem Publikum und der Band bestehe, so das OVG Hamb., erkennbar ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang , sodass sich die Band das Verhalten der Besucher zurechnen lassen m sse. Im Ergebnis l uft dies auf eine Zweckveranlassung hinaus. Siehe hierzu auch die Klausurbesprechung Gewalt beim Hardrock -Konzert, Abschlussklausur WS 2012/13. ( ) Andere fordern zus tzlich eine subjektive Komponente in Form von Vorsatz (subjektive Theorie); Absicht sei nicht zwin-gend n tig, bedingter Vorsatz gen ge. Prof. Dr. J rg Ennuschat Basiswissen polizei - und Ordnungsrecht 33 B. Zustandsst rer, 5 PolG NRW, 18 OBG NRW I. Verantwortlicher: Eigent mer, Inhaber der tats chlichen Gewalt, anderer Berechtigter Beachte den Wortlaut von 5 PolG NRW einerseits und 18 OBG NRW andererseits: Einmal steht der Inhaber der tats chlichen Gewalt im Vordergrund, das andere Mal der Eigent mer.

7 Relevant auch f r die St rerauswahl (Rechtsfolgenseite). Eigent mer: im zivilrechtlichen Sinne incl. Anwartschaften. Inhaber der tats chlichen Gewalt = derjenige, der gefahrenrele-vante Einwirkungsm glichkeiten hat (vgl. VGH BW, VBlBW 2011, 425): Mieter, P chter, Insolvenzverwalter, Besitzer und Besitzdiener. Anderer Berechtigter (nur bei 5 Abs. 2 PolG NRW): dinglich Berechtigte (Nie brauch, Erbbaurecht) die d rften vielfach zu-gleich Inhaber der tats chlichen Gewalt sein. II. Sache (beweglich/unbeweglich) oder Tier Die Sache muss in einem Verursachungszusammenhang/Kausalit ts-zusammenhang mit der Gefahr stehen. Hier greifen dann wieder Aspekte der Theorie der unmittelbaren Ver-ursachung bzw. der Theorie der rechtswidrigen Verursachung. Prof. Dr. J rg Ennuschat Basiswissen polizei - und Ordnungsrecht 34 III. Verschuldensunabh ngigkeit, Begrenzung der Zustandsver-antwortlichkeit Bsp.: A erwirbt kleines bebautes Grundst ck. Sp ter stellt sich f r alle v llig berraschend heraus, dass im Boden riesige Mengen an Altlas-ten sind.

8 Die Sanierung kostet ca. 1 Mio. Euro. Der Wert des Grund-st cks betr gt ca. Euro. Die Zustandsverantwortlichkeit ist verschuldensunabh ngig. Dennoch gibt es nach eine Begrenzung der Zustandsverantwort-lichkeit: Der Eigent mer soll nur bis zur H he des Grundst ckswerts haften, wenn der Zustandsverantwortliche keine besondere Verantwortung tr gt (kein Verschulden, kein eigenes Verhalten etc.), weil die Ge-fahr entweder durch Naturereignisse oder durch Dritte verursacht worden ist oder sonst (auch) der Gefahrensph re der Allgemein-heit zuzurechnen ist, das Grundst ck den wesentlichen Teil seines Verm gens aus-macht. Diese Begrenzung wurzelt in Art. 14 Abs. 2 GG: Eigentum verpflich-tet, soll aber privatn tzig bleiben. Relevant werden diese berlegungen eigentlich erst auf Rechtsfolgen-seite, und zwar am ehesten unter dem Gesichtspunkt der Angemes-senheit/Zumutbarkeit im Rahmen der Verh ltnism igkeit. Prof. Dr. J rg Ennuschat Basiswissen polizei - und Ordnungsrecht 35 C.

9 Nichtst rer, 6 PolG NRW, 19 OBG NRW Das polizei - und Ordnungsrecht nimmt im sog. polizeilichen Notstand jeden von uns in die Pflicht, wenn das n tig sein sollte, Gefahren abzuwehren. Die Notstandsverantwortlichkeit umrei t daher eine So-lidarpflicht aller Mitglieder des Gemeinwesens. Die Voraussetzungen der Inanspruchnahme eines Nichtst rers sind jedoch eng gefasst; siehe n her 6 PolG NRW, 19 OBG NRW. Beachte: Die vier Nummern m ssen kumulativ erf llt sein. Selbst wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen erf llt sind, muss auf Rechtsfolgenseite noch die Verh ltnism igkeit gepr ft werden. Viele Verh ltnism igkeitsaspekte sind jedoch schon auf Tatbestands-seite zu er rtern. D. Anscheins-, Schein- und Verdachtsst rer Der Anscheinsst rer ist auf der Prim rebene (nach ) als St rer einzustufen. Beachte: F r die Sekund rebene (Kosten/Entsch digung) ist zu differenzie-ren (siehe VGH BW, NJW 2011, 2748): Hat der Anscheinsst rer den Anschein zurechenbar gesetzt, ist er obwohl sich ex post herausstellt, dass objektiv keine Gefahr bestand auch auf Se-kund rebene als St rer zu behandeln.

10 Hat er denn Anschein nicht zurechenbar gesetzt, ist er auf Sekund rebene wie ein Nichtst rer zu behandeln. Der Scheinst rer ist auf Prim r- und Sekund rebene Nichtst rer. Der Verdachtsst rer ist ( ; sehr str.) auf der Prim rebene als St rer zu behandeln, muss also insb. Gefahrerforschungsma nahmen dulden (nicht: selbst durchf hren, es sei denn, es gibt spezielle gesetzliche Er-forschungspflichten). Sobald sich gekl rt hat, ob sich der Verdacht be-st tigt oder nicht, ist er je nach Ergebnis als St rer oder Nichtst -rer zu behandeln.


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