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Beziehungsarbeit ist lernbar. Systemische Ansätze in …

39 Beziehungsarbeit ist lernbar. Systemische Ans tze in der Sozialp dagogischen FamilienhilfeJohannes Herwig-LemppBeziehungsarbeit wird h ufig getrennt gesehen von der eigentlichen So-zialarbeit und als etwas betrachtet, was man hat oder nicht hat , was aufjeden Fall nicht gelernt werden kann. In der Sozialp dagogischen Famili-enhilfe (SpFh) ist Beziehungsarbeit ein wesentliches Element der eigent-lichen Sozialarbeit. Im vorliegenden Text wird die Auffassung vertreten,dass Beziehungsarbeit gerade etwas ist, was von der FamilienhelferIn aktivund bewusst geleistet wird.

JOHANNES HERWIG-LEMPP 42 BEZIEHUNGSARBEIT ALS METHODE Ziel Sozialer Arbeit ist immer die Lösung bzw. die Vermeidung sozialer Probleme. Sie sind die Folge eingeschränkter Wahlmöglichkeiten. Bei So-

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1 39 Beziehungsarbeit ist lernbar. Systemische Ans tze in der Sozialp dagogischen FamilienhilfeJohannes Herwig-LemppBeziehungsarbeit wird h ufig getrennt gesehen von der eigentlichen So-zialarbeit und als etwas betrachtet, was man hat oder nicht hat , was aufjeden Fall nicht gelernt werden kann. In der Sozialp dagogischen Famili-enhilfe (SpFh) ist Beziehungsarbeit ein wesentliches Element der eigent-lichen Sozialarbeit. Im vorliegenden Text wird die Auffassung vertreten,dass Beziehungsarbeit gerade etwas ist, was von der FamilienhelferIn aktivund bewusst geleistet wird.

2 Dabei werden Systemische Methoden auch alsTechniken der Beziehungsgestaltung MISSVERST NDNIS: SPFH IST NICHT SYSTEMISCHER ALS ANDERE T TIGKEITSFELDER DER SOZIALEN ARBEITSpFh gilt als das klassische Anwendungsgebiet f r systemisches Arbeiten:Wo, wenn nicht in der Familienhilfe, kann man vorz glich und zuallererstsystemische Ans tze umsetzen?! Und umgekehrt: Systemische Fortbildun-gen f r MitarbeiterInnen in der Alten- und Behindertenhilfe sind eigentlichnicht so richtig zu rechtfertigen, au er vielleicht im Hinblick auf die Kon-takte zu den Angeh rigen der KlientInnen.

3 Dies ist ein grundlegendes Missverst ndnis, es beruht zum einen auf den scheinbaren, tats chlichen oder vielleicht auch nur begrifflichen Paralle-len von Familienhilfe und Familientherapie, zum anderen auf der Gleich-setzung von System und Familie. Doch Systeme existieren nicht, sie wer-den von Fall zu Fall und je nach Notwendigkeit von BeobachterInnen kon-struiert. Ein System ist nicht ein Ding, sondern eine Liste von Liste kann variiert werden, und die allgemeinste Aufgabe des Expe-rimentators ist es, die Liste zu variieren (,andere Variablen zu ber cksich-tigen ), bis er schlie lich eine Gruppe von Variablen ausfindig gemacht hat,die die gew nschte Eindeutigkeit ergibt (Ashby 1974, S.)

4 69, vgl. Herwig-Lempp 1987). Systemisch zu arbeiten hei t demnach zu bedenken und immer mal wiederin die Reflexionen mit einzubeziehen, dass das, was man als System be-JOHANNES HERWIG-LEMPP40trachtet, auch zu anderen Systemen zusammengesetzt werden kann, unddass das, was man beobachtet, von anderen BeobachterInnen unter Um-st nden nicht oder ganz anders beobachtet werden dagogische Familienhilfe ist allerdings ein Feld, in dem die Ab-h ngigkeit des Standpunkts von der Perspektive und damit die Relativie-rung von scheinbaren Wahrheiten noch deutlicher werden kann als in ande-ren Arbeitsfeldern.

5 Dies mag mit der kontextbedingten engen Bezie-hung zwischen FamilienhelferIn, mehreren (!) an einem einzigen Fall beteiligten KlientInnen und meist vielen anderen involvierten Professionel-len zu tun haben. Die Sozialarbeiterin im Arbeitsfeld Sozialp dagogischeFamilienhilfe geht in das Lebensfeld ihrer KlientInnen hinein, hat dort en-gen Kontakt nicht nur zu einer Jugendlichen als Klientin, sondern zu Fami-lienmitgliedern, die dann ebenfalls KlientInnen sind. Dazu kommen weite-re Kontakte zu FreundInnen, Verwandten, Nachbarn, Klassenkameradenund Arbeitskolleginnen dieser KlientInnen, und au erdem zu weiteren,zum Beispiel zu LehrerInnen, rztInnen, SozialarbeiterInnen, Therapeu-tInnen, PsychologInnen, ErzieherInnen, Verwaltungsangestellten, mit de-nen die Familienmitglieder zu tun haben oder zu tun bekommen m chtenbzw.

6 EINE HILFE ZUR ERZIEHUNGS ozialp dagogische Familienhilfe (SpFh) ist eine Leistung nach dem Kin-der- und Jugendhilfe-Gesetz (KJHG) im Rahmen der Hilfen zur Erziehung: Sozialp dagogische Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Be-gleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bew ltigung vonAlltagsproblemen, der L sung von Konflikten und Krisen sowie im Kon-takt mit mtern und Institutionen unterst tzen und Hilfe zur Selbsthilfe ge-ben. Sie ist in der Regel auf l ngere Dauer angelegt und erfordert die Mit-arbeit der Familie ( 31 KJHG).

7 In der Regel wird dieses Angebot von MitarbeiterInnen in Vereinen geleis-tet, die in Teams zusammen arbeiten. Eine Familienhelferin begleitet eineFamilie ein bis zwei Jahre und arbeitet mit ihr dabei an den Zielen, die imHilfeplanprozess vereinbart wurden. Eine vollzeitbesch ftigte Familien-helferin hat durchschnittlich drei bis vier, manchmal bis zu sechs Familien,die sie jeweils mehrmals in der Woche aufsucht. Die Begleitung und Bera-tung richtet sich ausdr cklich sowohl an Kinder bzw. Jugendliche als auchBEZIEHUNGSARBEIT IST LERNBAR41an Eltern.

8 Sie kann so unterschiedliche T tigkeiten umfassen wie Gespr -che, Hausaufgabenbegleitung, Spielplatzbesuche (evtl. gemeinsam mit denEltern), Familienausfl ge, Begleitung bei mterbesuchen etc. Die beson-dere St rke von SpFh ist ihre gro e Flexibilit t, die es FamilienhelferIn undFamilie erlaubt, die Begleitung der Familie je nach Bedarf zu gestalten. Sieist immer eine Mischung von Beratung und Begleitung und ausdr cklichnicht auf Gespr che beschr wurde in den siebziger Jahren als ein neues Angebot in der Jugend-hilfe entwickelt. Seine Besonderheit lag und liegt darin, die Kinder nichtmehr dadurch zu unterst tzen, dass man sie aus ihrer Familie und ihrem so-zialen Umfeld herausnimmt und dann behandelt , also f rdert und unter-st tzt, sondern indem man in dieses Umfeld geht und sowohl die Kinder alsauch die Eltern dabei unterst tzt, ihren Lebensraum selbst aktiv zu gestal-ten und Einfluss auf eine Verbesserung zu nehmen.

9 SpFh findet vor Ort und zu Hause statt, sie kann alle Familienmitglieder miteinbeziehen. Damit wurde eine L cke im Angebotsspektrum der Jugend-hilfe geschlossen: Kinder k nnen in ihrer Familie belassen werden. Eindurchaus erw nschter Nebeneffekt ist, dass diese intensive Hilfe, insbeson-dere bei mehreren Geschwistern in der Familie, wesentlich billiger ist, alswenn man die Kinder aus der Familie nimmt. Und vor allem kann man nunauch Familien, die (aus welchen Gr nden auch immer) nicht in eine Bera-tungsstelle zu gehen bereit sind, Unterst tzung und Hilfe den Kontakt im Lebensraum der Familie entsteht eine besondereN he und Intimit t zwischen SozialarbeiterIn und KlientIn, die zugleichauch Voraussetzung f r die Zusammenarbeit ist.

10 In gewisser Weise r cktder Sozialarbeiter der Familie auf die Pelle , manchmal mehr, als die Fa-milie oder einzelne Mitglieder vertragen k nnen. Der Vorteil aufsuchen-der Sozialarbeit , den SpFh zweifelsohne mit sich bringt, kann so schnellin den Nachteil umschlagen, dass sie von den KlientInnen als verfolgendeSozialarbeit empfunden wird. Besondere Sensibilit t und Vorsicht sindvon Seiten der FamilienhelferInnen notwendig, um die Familien nicht vonvorneherein abzuschrecken. Wer r umlich so dicht an seine KlientInnenheranr ckt, muss ihnen im Gegenzug im bertragenen Sinn gen gendRaum lassen, damit sie sich nicht eingeengt und bedr ngt, ja vielleicht so-gar in die Ecke gedr ngt f 1 Ausf hrliche Literatur zur SpFh siehe BMFSFJ 1997, Geske et al.